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Mit Energie im Forderungsmanagement

Prozessanalysen, Erfahrungen, Empfehlungen
Von Udo Brückner, Managing Director, Tesch Inkasso Forderungsmanagement GmbH

Jedes Unternehmen kennt das Problem: Eine Leistung wurde erbracht, doch der Kunde zahlt nicht. Gerade die Energiewirtschaft muss hier angemessen und effektiv reagieren. Wie also verfährt die Branche?

Ende des letzten Jahres meldete die Bundesnetzagentur, dass im Jahr 2017 bei rund 344.000 Stromkunden eine Sperrung des Anschlusses aufgrund ausbleibender Zahlung vorgenommen werden musste. Ein Anstieg von fast vier Prozent, der verdeutlicht, wie aktuell das Thema Forderungsmanagement auch bei augenscheinlich guter Wirtschaftslage und exzellenter Beschäftigungslage ist. Zudem drückt die hohe Preistransparenz in den Online-Vergleichsportalen auf die Margen im Neukundengeschäft. Forderungsausfälle wirken sich in dieser Situation naturgemäß besonders stark auf die Profitabilität des Versorgungsunternehmens aus. Wesentliche Treiber in dessen Forderungsmanagement sind daher Effektivität und Effizienz, was den Ressourceneinsatz von Zeit und Personal betrifft.

Darüber hinaus spielt die Qualität des Forderungsprozesses eine zunehmend größere Rolle: Der Erhalt der Kundenbeziehung und die Reputation der eigenen Marke stehen ebenfalls im Fokus der Forderungsmanager. Denn die zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeiten, welche die Digitalisierung auch für das Forderungsmanagement schon heute bietet, bedeuten in Zeiten von Social Media und Bewertungsplattformen ebenfalls, dass negative Kundenmeinungen und Erfah-rungsberichte unter Umständen schnell einer breiteren Öffentlichkeit zugetragen werden. Es sind also Strategien gefragt, die all diese Begebenheiten berücksichtigen. Aber sind sie auch vorhanden?

500 Fachinterviews geben Einblicke
Um hier belastbare Zahlen zu erhalten, wurden im letzten Jahr im Rahmen der aktuellen Marktstudie „Mit Energie im Forderungsmanagement – Eine Studie für die Versorgerwirtschaft 2019“ durch ein Marktforschungsinstitut über 500 Interviews mit Geschäftsführern von Versorgungsunternehmen und den dort für die Verbrauchsabrechnung Verantwortlichen geführt. Dabei gewährten die Interviewpartner sowohl Einblicke in unternehmensinterne Prozesse, als auch in die Zusammenarbeit mit externen Partnern und Dienstleistern.

Detaillierte Betrachtung der Studienergebnisse
Erste Erkenntnis: Arbeitslosigkeit ist ein wichtiger, aber nicht der wesentliche Grund für eine nicht bezahlte Stromrechnung. Die Befragung zeigt ein vielschichtiges Ursachenbild, welches verdeutlicht: Häufig sind es sehr individuelle Auslöser, die zu einem Zahlungsausfall führen. Neben Scheidung können dies eine lang-jährige Krankheit, Suchtprobleme oder der Wegfall eines fest einkalkulierten Einkommensbestandteils sein. Der Vielschichtigkeit auf der Ursachenseite begegnet die Energiebranche mit weitestgehend standardisierten Mahnverfahren und Kundenansprachen, wie die Studie zeigt.

Die Häufigkeit, mit der sich die Energieversorgungsunternehmen dem Mahnprozess widmen, variiert recht stark. Während sich knapp jedes vierte Unternehmen auf einen monatlichen Rhythmus festgelegt hat, übernehmen dies 33 Pro-zent im 14-tägigen und knapp 25 Prozent im wöchentlichen Turnus. Fast 20 Prozent beschäftigen sich sogar täglich mit ihrem Forderungsmanagement.

Etwas einheitlicher dagegen sind die Aussagen zu den Zeitabständen, in denen der einzelne Kunde kontaktiert wird. Mit 62 Prozent mahnt die Mehrheit der Befragten ihre Kunden im zwei- bis dreiwöchigen Rhythmus an. Ein dreistufiges Mahn-verfahren hat sich dabei in der Branche etabliert, auch wenn der Gesetzgeber in der Strom GVV einen größeren Spielraum hinsichtlich der Anzahl der Mahnungen zulässt.

Grundsätzlich ist die Branche hier auf dem richtigen Weg: Eine enge Taktung beim Mahnrhythmus trägt nachweislich dazu bei, weitere finanzielle Ausfälle auf Unternehmensseite zu vermeiden. Der Kunde wird frühzeitig aufgefordert, zu reagieren. So kann ein weiteres Absinken in die Schuldenspirale im besten Fall verhindert werden. Verbesserungspotenzial zeigt die Branchenumfrage hinsichtlich einer situativ angepassten Ansprache der Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten auf.

Die richtigen Methoden wahren das gute Kundenverhältnis
Interessant ist auch der Blick auf die Methoden und Kanäle, die im Mahnprozess bei den Unternehmen zum Einsatz kommen: Gesetzter Standard ist der klassi-sche Brief, egal ob in der ersten, zweiten oder dritten Mahnstufe. Etwas mehr als jedes dritte Unternehmen schickt ergänzend eine E-Mail an die säumigen Zahler. Telefonisch kontaktiert werden die Kunden eher weniger: Bei der zweiten Mahnstufe gaben nur rund zwei Prozent der Befragten an, diese Möglichkeit zu nutzen, in der dritten Mahnstufe tun dies immerhin rund 15 Prozent. Überraschend sind diese Zahlen trotz vielfach vorhandener Telefonnummern nicht, ist das Telefonat im Vergleich zum standardisierten, eventuell sogar automatisiert erstellten Brief doch relativ zeit- und somit kostenintensiv.

Umso erstaunlicher erscheint daher die Tatsache, dass in der dritten Mahnstufe rund 42 Prozent aller Unternehmen auf „Vor-Ort-Inkasso“ als Maßnahme zurückgreifen. Zumeist ist der mit der Stromsperrung beauftragte Mitarbeiter befugt, Gelder an der Haustür entgegenzunehmen (Sperrkassierer). Neben einem noch höheren Personalaufwand besteht schnell die Gefahr, die Beziehung zum Kunden zu schädigen. Eine frühzeitige Forderungsübergabe an einen Inkasso-Spezialisten kann hier eine alternative Lösung sein. Neben der Kosten- und Zeitersparnis schont die Auslagerung des Sachverhalts das Kundenverhältnis, der Dienstleister fungiert als Puffer zwischen den beiden Parteien.

Digitalisierung ermöglicht personalisierte Ansprache
Bei der Nutzung digitaler Lösungen im Mahnprozess gibt es noch viel Potenzial: Zwar werden neben der E-Mail auch Kun-denportale genutzt, aber deren Durchdrin-gung ist mit 7,8 Prozent bis 11,9 Prozent bei den Mahnstufen eins bis drei noch deutlich ausbaufähig.

Ein weiterer für die Branche interessanter und durch neue Techniken möglicher Ansatz sind hier beispielsweise persona-lisierte, interaktive Erklär-Videos, wie sie heute bereits angeboten werden. Mit ihnen können besonders Kunden angesprochen werden, die entweder den direkten Kontakt zum Unternehmen scheuen bzw. als unangenehm empfinden, oder aber Schwierigkeiten haben, Themen in einem juristischen Kontext zu verstehen. In ei-nem persönlichen Video kann so beispiels-weise in nur 90 Sekunden der individuelle Sachverhalt leicht verständlich erklärt („Wie und wo ist meine Forderung entstanden?“) sowie Handlungsmöglichkeiten („Welche Schritte sollte und kann ich nun unternehmen?“) aufgezeigt werden. Ein gelungenes Beispiel, wie Digitalisierung sichtbar und nützlich für Kunden eingesetzt werden kann.

Ebenfalls ausbaufähig im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung ist der gesamte Bereich des Zahlungsverkehrs: Fast alle Energieversorgungsunternehmen (97,2 %) bieten das SEPA Lastschriftmandat als wichtigste Zahlungsmethode an – bei Kontodeckung für beide Parteien sicherlich die einfachste und sicherste Methode, für eine schnelle Transaktion zu sorgen. Bei den digitalen Bezahlmöglichkeiten taucht in den Umfrageergebnissen allerdings nur die Sofortüberweisung (52,8 %) auf. Gerade hinsichtlich der immer größer werdenden Beliebtheit von Online-Bezahldiensten wie PayPal oder Amazon Payments, aber auch Mobile-Payment-Zahlungssystemen wie Google Pay oder Apple Pay, wird es hier in absehbarer Zeit sicherlich zu spannenden (Weiter-)Entwicklungen kommen.

Rund 64 Prozent der befragten Unterneh-men bieten darüber hinaus die Möglichkeit der Barzahlung an. Der Stromkunde ist jedoch zumeist an die Öffnungszeiten des jeweiligen Kundencenters gebunden. Viele Energieversorger scheuen zudem die hohen Kosten, die bei der Anschaffung und dem Betrieb von Kassenautomaten anfallen.

Komplexitätsfalle Zwangsvollstreckung
Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren stellt für die Energieversorgungsbranche keine Herausforderung dar. Ein Großteil der Energieversorger managt das Titulierungsverfahren schon sehr frühzeitig im eigenen Haus oder beauftragt damit einen professionellen Partner wie Inkassounternehmen oder spezialisierte Rechtsanwälte. Doch spätestens bei der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen droht die Komplexitätsfalle: Der Gesetzgeber ermöglicht viele Vollstreckungsmöglichkeiten, von der Kontopfändung über Eintragung von Sicherungshypotheken auf Immobilien bis hin zur Sachpfändung und Abnahme der Vermögensauskunft. Doch um diesen Freiraum optimal nutzen zu können, bedarf es einer langjährigen Vollstreckungserfahrung und einer umfassenden Expertise.

Hier stoßen viele, vor allem kleinere Energieversorger, welche die Zwangsvollstreckung selbst managen, schnell an ihre Grenzen. Nicht selten landet der Vorgang nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch „im Keller“, wie die Umfrage bestätigt. Die Frage nach derzeit unbearbeiteten Schuldtiteln beantwor-teten rund 53 Prozent der Befragten mit „Ja“. Dabei droht weiterer Ausbuchungsbedarf, da mit zunehmender Liegezeit die Adressqualität dieser Bestände naturgemäß abnimmt – und damit auch die Chance auf eine erfolgreiche Realisierung der Forderung.

Auch in diesem Fall hilft die Erfahrung von Inkassodienstleistern, die eine hohe Branchenexpertise im Energie- und Vollstreckungsrecht mitbringen. Aus dem Erfahrungsschatz von mehreren zehntausend Zwangsvollstreckungsaufträgen pro Jahr generieren sie optimierte Vollstreckungsstrategien für mehr Einziehungserfolg und geringere Vollstreckungskosten. Dass die renommierten Inkassounternehmen dabei auf den Schutz der Kundenre-putation achten, versteht sich von selbst.

Innovations- und Optimierungspotenzial in vielen Bereichen
In der Summe zeigt die Studie ein noch nicht ausgeschöpftes Optimierungs- und Innovationspotenzial im Forderungsmanagement von Energieversorgungsunternehmen. Dabei geht es zum einen um Prozessverbesserungen, zum anderen aber auch um eine an die Lebenssituation des säumigen Stromkunden angepasste Ansprache der Person. Neue technische Möglichkeiten eröffnen hier neue Wege.

Big Data ist hier beispielsweise eines der Themen, mit denen sich die Branche, wenn nicht schon heute, dann aber in naher Zukunft, intensiv beschäftigen wird. Richtig genutzt ist es ein wertvolles Analyse-Instrument, durch welches Lösungen für eine segmentierte, individualisierte Kundenansprache, vom Vertragsabschluss bis ins Forderungsmanagement hinein, entwickelt werden können.

Spezialisierte Dienstleister sind in diesen Prozessen wertvolle Partner, die punktgenau leistungsverstärkende Unterstützung sowie Expertise liefern können. Sei es beispielsweise im Forderungsmanagement, in der Kundenkommunikation oder beim Datenschutz.

Über Lowell
Lowell ist einer der führenden europäischen Anbieter im Forderungsmanagement. Ziel des Unternehmens ist es, für seine Kunden und für Konsumenten tragfähige Lösungen beim Umgang mit offenen Forderungen zu entwickeln. Lowell ist in Großbritannien, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark, Norwegen, Finnland, Schweden und Estland tätig.
Dank umfangreicher Expertise in der Datenanalyse und einem ausgezeichneten Risikomanagement kann Lowell seinen Kunden kompetente Lösungen in allen Bereichen des Forderungsmanagements anbieten – vom Forderungskauf über Inkasso-Dienstleistungen bis hin zur Ausgliederung von Geschäftsabläufen. Lowell verfolgt einen ethischen Ansatz im Forderungsmanagement und versucht, unter Berücksichtigung der individuellen Situation eines Konsumenten stets die angemessenste, nachhaltigste und fairste Lösung zu finden.
Lowell ist 2015 aus dem Zusammenschluss zweier führender Unternehmen aus Großbritannien und Deutschland entstanden: der Lowell Gruppe und der GFKL Gruppe. Im Jahr 2018 hat Lowell die Übernahme ausgegliederter Landesgesellschaften von Intrum abgeschlossen, die in mehreren nordeuropäischen Ländern führende Marktpositionen einnehmen. Lowell wird unterstützt von der globalen Private-Equity-Gesellschaft Permira sowie dem Ontario Teachers’ Pension Plan.
Mehr Informationen über Lowell erhalten Sie auf unserer Gruppen-Website: https://www.lowell.com

Pressekontakt
Till Seemann
Corporate Communications Manager
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